Aus der Zeitschrift EinSicht Winter 2008

Mein Leben mit Spinnen!

Astrid Späth

Schon als kleines Mädchen hatte ich große Angst vor Spinnen, besonders vor den großen, schwarzen. Allein in den Keller konnte ich lange nicht gehen und so manches Mal haben meine hysterischen Schreie beim Anblick von sehr gut gewachsenen Exemplaren meine Familie erschreckt.
Als erwachsene Frau änderte sich daran lange nichts und dies machte mir das Leben nur unnötig schwer, besonders im Spinnenmonat September.
Der Höhepunkt meiner Ängste gipfelte dann in einem Erlebnis mit einer riesigen Winkelspinne, die mir beim Hinuntergehen auf einer Treppe wahrscheinlich auf den Rücken übertragen wurde. Die unglaubliche Panik, die mich beim zufälligen Blick über meine Schulter befiel, als ich besagtes Tier auf meinem hellblauen T-Shirt entdeckte, kann nur derjenige nachvollziehen, der ähnliche Ängste jahrelang großgezogen hat.

Trotzdem schaffte ich es noch an diesem Morgen die Spinne lebend zu fangen und in den Garten zu bringen. Es musste etwas geschehen, so ging es nicht weiter! Dann lernte ich Eike kennen, hatte allerdings im Seminar einen anderen Kooperationspartner. 2 Monate später musste mein Mann im September für längere Zeit verreisen und ich war mit unseren beiden Kindern und den Spinnen allein im Haus.

Die Spinnen waren fest entschlossen, mir die Gelegenheit zu einer neuen Sichtweise zu geben. So viele der gefürchteten großen Winkelspinnen habe ich noch nie in meinen Räumen gehabt und diesmal war kein helfender Mann in der Nähe, ich war allein gefordert. Jeden Abend besuchten mich 2-3 Spinnen im Wohnzimmer, dann später im Schlafzimmer (das war das schlimmste) und am nächsten Morgen schließlich in der Küche. Überall hatte ich Gläser griffbereit, um die Spinnen lebend zu fangen. Nun waren sie also im Glas und warteten auf ihre Befreiung, was sonst meistens mein Mann übernommen hatte. Ich zwang mich, die Tiere anzuschauen, anfangs nur wenige Sekunden aus der Ferne, es ekelte und ängstigte mich zu sehr.
Von Tag zu Tag steigerte sich die Dauer unserer Begegnung und ich war nach den 2 Wochen schließlich in der Lage, das Glas beim Betrachten für einige Zeit sogar in die Hand zu nehmen, ein riesiger Fortschritt für mich. Zum Üben gab es wirklich genug Gelegenheit durch die große Menge an Spinnen und es war sehr auffällig, dass die Tiere mich meinten und nicht die anderen Mitglieder meiner Familie. Einmal kam beim Frühstück eine Spinne wie durch einen unsichtbaren Faden verbunden direkt zu meinem Fuß.

Durch diese häufigen, besonders unerwarteten Gelegenheiten war ich gedanklich andauernd verbunden, wollte allerdings diesem angstvollen Zustand endlich ein Ende machen und bemühte mich sehr um Gelassenheit beim Anblick der gefangenen Tiere. Das war nun endlich die ersehnte Wende. Eines Vormittags begrüßte mich ein wahres Prachtexemplar völlig unerwartet an der Kaminwand. Ich war überrascht, aber am meisten über meine Reaktion: keinerlei Panik, keine Angst, einfach nur neutrale Überraschung. Was war passiert?

Mittlerweile war auch mein Mann wieder im Haus, aber seine frühere Aufgabe als Spinnenbefreier musste er nicht mehr erfüllen, ich habe dies seitdem selbst erledigt. Den darauffolgenden Herbst erlebte ich eine große Überraschung: Nur eine einzige Winkelspinne in der ganzen Zeit und diese auch nur im Flur, einem eher neutralen Bereich für mich. Der jetzige Herbst hat mir bisher mehrere Begegnungen beschert, aber mit einer für meine Person relativ großen Gelassenheit und Offenheit ihnen gegenüber. Mal sehen, was der Winter noch so alles bringt.

Fazit: Wer sich so übermäßig häufig und angstvoll mit einem Tier beschäftigt, zieht genau dieses Tier magnetisch an, die Angst bindet diesen Menschen an das Tier.
Ohne die Bereitschaft zur Begegnung wird das Verhältnis nicht besser.


» Nächster Artikel

« zurück zum Inhaltsverzeichnis