Aus der Zeitschrift EinSicht Herbst 2005

Erlebnisse mit Läusen und Wespen im von mir betreuten Garten

von Wolfgang Römhild, Deutschland

Auf "unserem" Grund und Boden haben auch andere Wesen ein oft viel älteres Heimatrecht. Auch die unbeliebten. Bei diesen unbeliebten können wir drei Stufen unterscheiden:

  1. Sie sind da, weil sie hier halt ebenfalls leben.
  2. Sie sind vermehrt da, weil sie überall verfolgt werden.
  3. Sie sind vermehrt da, weil sie uns eine maßgeschneiderte Botschaft überbringen sollen.

Nur in dieser dritten Stufe gibt es großen Ärger - bis wir endlich die Botschaft begriffen haben und sie sich wieder zurückziehen können.

Diese oft mühsame Entschlüsselung der Botschaft ist Eike Braunroths unschätzbarer Beitrag zu Selbstverwirklichung, Weltfrieden, Umweltschutz und Welternährung

Auch an den von mir betreuten Gewächsen waren früher viele Läuse. Und jetzt nicht mehr!

Der Weg dahin verlief über Amseln.

Jahrzehntelang hatte ich hier in unserer Vorstadt den einzigen Biogarten zwischen lauter Hochhäusern und Rasenflächen. Infolge der vielen Futterhäuschen winters auf den Balkonen ringsum gibt es ungewöhnlich viele Amseln. Und in "meinem" Garten Regenwurmzucht! Mit Vogelnetzen und Bosheit versuchte ich mich der Amseln zu erwehren. Aber Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wie zu Tollwut der Fuchsbandwurm und zu Borken- und Maikäfern der Schwammspinner, so kamen zu den Amseln Jungmeisen und pickten unreifes Obst an. Ein Gartenfreund riet mir zu einer Vogeltränke. Erst war ich entsetzt, diesen Unholden auch noch zu helfen, dann erlebte ich Erleichterung.

Erst als ich so vorbereitet war, erfuhr ich von Eike und belegte sofort einen Lehrgang über Amseln. Es stellte sich heraus, dass ich wegen der Hungerjahre der Nachkriegszeit gerade in meinen wichtigsten Wachstumsjahren inzwischen zwar mit Menschen zu teilen gelernt hatte, aber noch nicht mit Tieren. Ich musste loslassen lernen und vertrauen, dass die Schöpfung in ihrer Üppigkeit Menschen und Tiere überschwänglich versorge.

Als ich so gestärkt heimgekehrt war, entdeckte ich an zwei Bohnenstangen erste schwarze Bohnenläuse und begrüßte sie in vollem Ernst und freudigem Vertrauen: "Herzlich willkommen im gemeinsamen Garten!" So auch in den beiden nachfolgenden Jahren.

Innerhalb weniger Tage oder Wochen verschwanden sie ohne viel Aufhebens, obwohl sie früher die Stangenbohnen und noch mehr die Acker-/Saubohnen übel zugerichtet hatten. Dies ging ganz ohne besondere Anstrengung oder Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht warum. Gehörten diese Bohnenläuse nur zu der oben umrissenen 1. oder 2. Stufe oder wie Fuchsbandwurm zur Tollwut als Trittbrettfahrerinnen oder Nachdruckverstärkerinnen zur 3. Stufe der Amseln? Und war dann ihre Botschaft durch den Frieden mit den Amseln bereits angekommen und erledigt?

Den riesigen Tomatenbaum überwintere ich zurückgeschnitten im Wintergarten. Vor lauter Läuseausscheidungen klebte man früher am Boden darunter fest. Letzten (und diesen?) Winter keine einzige Laus! Genauso an den über Winter im Wintergarten herangezogenen Winterkopfsalatsetzlingen. Auch den Rosenläusen in der ersten strotzenden Wachstumszeit dankte ich, dass sie den möglicherweise überschüssigen Zuckersaft entsorgten - und sie verschwanden nach Erledigung dieser Aufgabe.

Dies bedeutet: der einmal im Garten begonnene Friede mit allen Tieren wächst von Jahr zu Jahr weiter.

So auch die Amseln: Gleich nach dem Lehrgang pickten sie die Hälfte der nunmehr ungeschützten Erdbeeren an, in den beiden nächsten Jahren fast gar nichts. In den beiden letzten hier knochentrockenen Sommern hatten sie schier "vergessen", dass die stets locker locker-feuchten Hügelbeete vor Regenwürmern nur so wimmelten. Vorletzten Herbst fraßen sie den größten, aber unbeliebten Weinstock völlig leer, diesen Herbst scheint's keine Beere

Ich habe ihn - bedauernd -weggeschnitten. Aber den ganzen langen Frühling brüten und singen sie zu meiner größten Freude in großer Zahl im Garten, ernähren sich aber nun fast ausschließlich außerhalb.

Mir ist diese Kehrwendung rätselhaft, ja schon fast unheimlich, auf jeden Fall aber ehrfurchtgebietend.

Genauso war es mit Hornissen und Wespen: Vorletzten Sommer überfielen plötzlich vor allem Hornissen die noch unreifen Birnen und Äpfel. Die Bäume hatten reicher angesetzt denn je und jetzt überwältigte mich das Gefühl: "Wieder alles umsonst". Dieses Gefühl kannte ich. Auch ich habe mehrere Rückschläge in meinem Leben hinnehmen müssen. Etwa eine Handvoll. Ich kam ins Grübeln. Und wie viele Erfolge und Gottesgeschenke gab es in meinem Leben? Als ich nachzuzählen versuchte, reichten Hände und Füße nicht mehr. Ich fühlte mich glücklich und erfolgreich. Sofort verschwanden die Hornissen! Rückschließend ahne ich, dass es ihre Aufgabe war, mir mein Vertrauen und Selbstbewusstsein zu heben. Plötzlich durfte ich ihnen dankbar sein für diese Unterstützung. Ja, als ich dann das übermäßig viele frühreife Obst auf dem Balkon trocknete, kamen die Hornissen wieder, verjagten die Fliegen und nahmen die Wespen gleich mit nach Hause. Aus vermeintlichen Feindinnen waren Helferinnen geworden. Und im nächsten Sommer brauchten dann keine mehr zu kommen.

Wespen und Hornissen nisten sich gern in Rollladenkästen ein. Früher hatte ich sie mit Schwefel, Staubsauger und Lebensgefahr beseitigt, letzten Sommer ließ ich die allmählich riesigen Nester ungeschoren. Es war ein etwas gespenstisches Nebeneinander mit diesen möglicherweise Tausenden. Die "Schäden" aber waren winzig. Wenn sie eine Pflaume anfraßen, ließ ich sie neuerdings hängen: "Dieses haben die Wespen vorbestellt" und fand wochenlang jeden Tag mehr unangefressene Pflaumen, als ich zum Verzehren und Einfrieren brauchte. Ich wurde auch nur ein einziges Mal gestochen, als ich eine Wespe versehentlich bedängt hatte, sonst kamen wir völlig friedlich nebeneinander zurecht.

In "meinem" Garten (d.h. eigentlich bei mir) ist noch nicht alles vorbildlich, aber die Fortschritte von Jahr zu Jahr beeindrucken. Offensichtlich steckt tatsächlich hinter der gesamten Schöpfung eine unermessliche göttliche Liebe, die wir uns durch eigene Liebe, Achtung, Ehrfurcht und Zuversicht erlebbarer machen können. Vielleicht schlummert in allen Wesen und Dingen - wie in der verwunschenen Kröte - ein unfassbares Glück und wartet sehnlich darauf, von uns geweckt zu werden. Der schlesische Dichter Eichendorff sagt das so:

Schläft ein Lied in allen Dingen.

die da träumen fort und fort,

und die Welt hebt an zu singen,

triffst du nur das Zauberwort.

Treffen Sie wohl!


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