Kooperation statt Kampf:
Psychologe Eike Braunroth plädiert für eine neue Sichtweise im Umgang mit Parasiten
Der Gartenbau, 4/2008, Seite 1, Autorin: Claudia-Regina Sigg
Als Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz sind viele Methoden bekannt. Nützlingseinsatz und Pflanzenstärkungsmittel haben sich selbst in der konventionellen Produktion durchgesetzt. Dagegen werden die Präparate aus dem biologisch-dynamischen Landbau oder Bachblüten nur in eingeweihten Kreisen verwendet. Einen sehr eigenen Ansatz vertritt der Psychologe und Bio-Hobbygärtner Eike Braunroth. Er stellt die bisherige Haltung, nämlich das Bekämpfen von Schädlingen, grundsätzlich in Frage und plädiert für einen neuen Umgang mit der Natur: Kooperation – auch wenn's um Schädlinge geht.
Es ist einfach, Eike Braunroth in die esoterische Ecke zu stellen oder als Spinner abzutun. Man nehme sein Buch "Heute schon eine Schnecke geküsst?" (siehe
unten) und beginne zu lesen – voilà, alle Vorurteile werden bestätigt. Sprache, Fühl- und Lebenswelt des Autors sind gewöhnungsbedürftig. Hier schreibt einer
überschwänglich und hingebungsvoll über "das liebevolle Miteinander unter der Vielfalt aller Geschöpfe". Der spirituelle Ansatz ist unverkennbar, schade nur,
kommt die Botschaft dermaßen esoterisch verbrämt daher. Im Kern vertritt der Autor nämlich eine interessante Sichtweise, über die sehr wohl nachgedacht und diskutiert
werden kann.
Genau das taten im vergangenen Jahr die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ökologischen Zierpflanzenbauseminars an der Bildungsstätte in D-Grünberg (vgl. "Der
Gartenbau", Nr. 32/2007). Sie hatten Braunroth zu einem Vortrag über den Weg der "Kooperation mit der Natur" eingeladen und sahen sich mit einer Art "Schneckenflüsterer"
konfrontiert.
Vertrauen in die Natur
Bei Schnecken kennen die meisten Gärtnerinnen nur die Unterscheidung zwischen schlimm und schlimmer, meinte Braunroth, der seine Sichtweise am Beispiel der Schnecken illustrierte. Als leidenschaftlicher BioHobbygärtner fühlte er sich früher, wie so viele, ohnmächtig, wenn Schnecken und Wühlmäuse seine Kulturen schädigten. Heute indessen stellt Braunroth dem Kampf gegen die sogenannte Parasiten das "Vertrauen in die Natur" entgegen. Denn Kampf, dies seine These, erzeugt nur Gegenkampf, also Widerstandskraft, Massenvermehrung und Massenfressverhalten. In seinem Buch (siehe unten) schreibt er: "Jede Art von Pflanzenschutz ist Krieg gegenüber der Erde. Krieg kann niemals etwas Gesundes hervorbringen. (...) Ob es sich um Gifte, biologische oder thermische Bekämpfung handelt, sie sind naturfeindlich, weil aus Eigennutz und Egoismus entstanden. Heilung kann nur in Frieden und in der Liebe entstehen."
Die eigene Einstellung verändern
Braunroth ist der Meinung, dass im Umgang mit sogenannten Schädlingen primär die Gedanken, Gefühle und Absichten des Gärtners von Bedeutung sind. Folglich gilt es zuerst
sich selbst, die eigene Einstellung, zu verändern, um im Außen eine Veränderung herbeiführen zu können.
Die Kooperation mit der Natur ist eine lebensbejahende Angelegenheit, bei der alle Teile der Natur geehrt und geachtet werden. Sie bedeutet aktive Zusammenarbeit, "die
vom Menschen als einem bewussten Teil der Schöpfung auszugehen hat". Ihr zugrunde liegt eine ganzheitliche Sichtweise. Als zentral erachtet Braunroth die ehrliche
Kommunikation: Kontaktaufnahme und mitfühlende Verständigung mit jenen Organismen (Pflanzen, Tiere), mit denen der Gärtner oder die Gärtnerin eine Beziehung aufnehmen will;
Ausdrücken von Gedanken und Gefühlen; Verlassen von Polarität/Dualität – Aufheben von Feindschaft, Ausgleich – gemeinsames Wirken ohne Bevorzugung des einen
gegenüber dem anderen.
Das Recht geben zu sein
Bei einer solchen Lebenshaltung, so Braunroth, "können sich Wunder auftun, die in Wirklichkeit keine Wunder sind, sondern Ergebnisse eines natürlichen – das heisst angstfreien – Umgangs mit der Natur". Mit anderen Worten: "Als naturkooperative Gärtner gehen wir so vor, dass wir dem göttlichen Schöpfungsprinzip, das in Tier und Pflanze wirksam ist, das Recht geben zu sein. (...) Liebe ist die einzige aufbauende Lebensänderung, die konstruktive Änderungen gewährleistet."
Literatur
Seitdem Eike Braunroth angstfrei
mit den Lebewesen in seinem Garten
kommuniziert, wird er von der
Natur reich beschenkt. Das auf
diesen positiven persönlichen Erfahrungen
basierende Buch ist
eine Art Denkanstoss und Ratgeber
darüber, wie der Mensch im
Zusammenspiel mit "Parasiten"
schöpferisch wirken kann, ohne
zu vernichten. Aufgezeigt wird
ebenso, wo der eigentliche Grund
für den bisherigen Kampf gegen
die Natur liegt. crs.
Heute schon eine Schnecke geküsst?
Grundlagenwerk der Kooperation
mit der Natur. Von Eike Braunroth.
240 Seiten, broschiert. Preis: Euro
14,90 (www.vega-ek.de).
Verlag
Vega e.K., Neufelder Str. 1, D-67468
Frankeneck. ISBN 3-9806724-9-2.
Artikel von Redaktionsmitglied
Claudia-Regina Sigg,
Dipl. Ing. FH Gartenbau
Aus der Zeitschrift: Der Gartenbau
Die Wochenfachzeitschrift für den Erwerbsgartenbau
Gärtnerstr. 12,
Postfach 316,
CH-4501 Solothurn
Tel. +41 (0)32 622 66 22, Fax +41 (0)32 622 81 62